Zeit. Von ihr gibt es meistens am wenigsten. Oft lassen wir für Sachen, die wirklich wichtig sind, nicht genug Zeit, wie beispielweise für unsere Kinder. Vor allem fehlt es uns an Quality time wie es heutzutage genannt wird. Viele denken, dass Quality time heißt, den Kindern immer mehr, etwas Neues und etwas Bedeutenderes zu geben. Daher rennen sie mit den Kindern von Programm zu Programm, von Kletterparks zu Indoor-Spielplätzen und von Streichelzoos zu Kasperletheatern. Ja, ja, natürlich sind die gesammelten Erfahrungen wichtig, aber oft ist das nicht was Kinder möchten. Sie möchten nicht unbedingt, dass wir mit ihnen stundenlang basteln und Brettspiele oder Puzzles spielen. Sie wollen nur, dass ihr Leben ein wenig langsamer wird und dass wir ein bisschen mehr Zeit zusammen verbringen können. Zeit, in der wir nicht von unseren Smartphones, Laptops und Tablets abgelenkt sind, die nicht von der Hausarbeit belastet ist oder damit verbracht wird, sich über Probleme zu sorgen. Sondern Zeit, die wir wirklich mit unseren Kindern verbringen und zu 100% nur auf sie achten.
Dr. Harvey Karp, ein amerikanischer Kinderarzt, zieht in seinem Buch „Das glücklichste Kleinkind der Welt“ einen bemerkenswerten Vergleich: Die Eltern sind in den Augen ihrer Kinder wie Rockstars. Kinder möchten nichts lieber als Zeit mit ihren Eltern zu verbringen, also müssen die Eltern ihnen möglicherweise mehrmals am Tag für kurze Zeitabschnitte ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenken, wenn sie wollen, dass die Kinder brav und gut erzogen werden. Der Autor bezeichnet das als die Fütterung der seelischen Parkuhr.
„Der Vergleich beruht auf dem Prinzip der Parkuhr. Wenn man jede halbe Stunde Geld in die Parkuhr einwirft, wird man nie bestraft. Also, wenn die Kinder im Laufe des Tages mehrmals mit ein wenig Fröhlichkeit und Aufmerksamkeit „gefüttert“ werden, werden sie sich automatisch besser benehmen.“
Das Buch gibt ein anschauliches Beispiel: eine Mutter hat ungefähr 40 Minuten zum Putzen gebraucht bevor sie ihre Aufmerksamkeit ihrem Kind schenken und mit ihm spielen konnte. Sie hat das vorher mit ihm auch besprochen und trotzdem hat das Kind immer schlechter toleriert, dass seine Mutter ihm keine Aufmerksamkeit geschenkt hat. Daher hat die Mutter nach 20 Minuten mit dem Putzen aufgehört und somit verhindern können, dass das Kind anfängt sich schlecht zu benehmen. Sie hat 5 Minuten lang mit ihm gespielt und somit seine „seelische Parkuhr“ aufgeladen. Danach hat sie den Abwasch fertig gemacht und konnte dann eine halbe Stunde lang in Ruhe mit ihm spielen.
Diesen Trick verwende ich oft auch. Ich arbeite von zuhause aus und meine Tochter sieht nur, dass Mama Zuhause ist, aber sich nicht mit ihr beschäftigt. Ich habe diese Methode getestet und gesehen, dass, wenn ich für kurze Zeit mit der Arbeit aufhöre und mit meiner Tochter für ca. 10-15 Minuten spiele und eine bisschen rede, sie ruhiger wird uns sich weiterhin selbst beschäftigt. Dann kann immer ich zu meiner Arbeit zurückkehren. Wenn ich sehe, dass ihr bald langweilig wird, stehe ich schnell auf und umarme sie und oft ist sie diejenige, die dann sagt, dass es an der Zeit ist, wieder spielen zu gehen. Manchmal kommt sie zu mir, umarmt mich und rennt zurück ihre „eigenen Aufgaben zu erledigen“.
Das Buch behauptet, dass die Methode ständig mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen viel wirksamer ist als jegliche Erziehungs- und Disziplinierungsmittel und dass die Kinder dadurch glücklicher und kooperativer werden.
Aber was zählt als mehr Zeit?
Die ungeteilte Aufmerksamkeit steht an erster Stelle. Vergiss nicht, was Harvey Karp gesagt hat: Für unsere Kinder sind wir Rockstars. Seien wir ehrlich: Wenn uns unser Idol seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken würde, würden wir auf Wolke sieben schweben. Die gute Nachricht ist, dass Kinder, unabhängig von ihrem Alter, genauso sind. Das heißt nicht, dass wir uns 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche an die Kinder ketten müssen. Wenn wir ihnen regelmäßig unsere ungeteilte Aufmerksamkeit schenken, erfüllen wir ihre Bedürfnisse, wodurch sie ein ausgewogenes Leben führen können. Hier sind ein paar Beispiele:
- Setz dich hin und achte auf dein Kind! Wir sollten wirklich daran interessiert sein, was unser Kind uns zu sagen hat und nicht nur nicken während wir über den morgigen Arbeitstag nachdenken.
- Wink ihm zu! Wenn das Kind auf dem Spielplatz rumrennt während wir uns ein wenig entspannen, ist es dem Kind trotzdem sehr wichtig zu wissen, dass wir sehen wie geschickt und clever es ist.
- Lächle dein Kind an! Ein Lächeln schadet nichts und kostet nichts. Oft sieht man Mütter, die das Muttersein so ernst nehmen, dass sie vergessen ihr eigenes Kind anzulächeln. Lachen ist die beste Medizin und tut dem Kind sehr gut.
- Sei manchmal einfach erstaunt über das, was dein Kind gerade macht. Unsere hochgezogenen Augenbrauen sind für ihn ein Zeichen, dass wir seine Leistungen anerkennen.
- Gib ihm ein „High Five“ oder gebt euch die Hände! Kinder lieben das.
- Umarme und streichle dein Kind so oft es geht! Das ist selbstverständlich, oder?
Es kann zuerst ein wenig albern klingen, aber Kinder mögen es, wenn wir das, was sie gerade machen, kommentieren. Wenn ein Kind beispielsweise mit Lego oder Puppen spielt, können wir somit gleichzeitig unser Lob und unsere Anerkennung ausdrücken und damit dem Kind zeigen, dass wir seine Arbeit schätzen.
Es ist wirklich wichtig, dass wir die Arbeit und Leistung des Kindes und nicht das Kind selbst loben! Wenn das Kind zum Beispiel in der Küche hilft, müssen wir uns bei ihm für seine Arbeit bedanken und nicht ihn, als den besten Küchenjungen der Welt, preisen. Es kann nämlich sein, dass dies am nächsten Tag nicht mehr der Fall sein wird. Wir sollten auch unser Lob aussprechen, wenn etwas nicht so gut gelaufen ist. In diesem Fall schätzen wir seine Bemühungen und dass die Arbeit von ihm ernst genommen wurde. Obwohl es schwer zu vermeiden ist, sollten wir niemals „abfälligen Lob“ wie „Es ist super, dass du dein Zimmer aufgeräumt hast, aber warum musste ich dich so oft darum bitten?“ benutzen.
Dr. Harvey Karp sagt:
„Das Lob ist wie ein gutes Rezept, das wir unseren Kindern vorbereiten: Man nehme eine große Portion Nudeln (ungeteilte Aufmerksamkeit), eine köstliche Soße (Lob und Ermutigung) und leckeren Käse (Jubel und Feier).“
Man kann die „seelische Parkuhr“ des Kindes am besten füttern, indem man mit ihm spielt. Kinder sollten täglich kreative Spiele spielen, in der freien Natur sein und Geschichten vorgelesen bekommen. Wir sollten uns bemühen, regelmäßig ein Teil von wenigstens eins dieser Sachen zu sein. Dies hängt natürlich von unserem Tagesablauf ab, es sollte uns jedoch bewusst sein, dass ein gemeinsames Erlebnis eine unersetzbare Erfahrung für die Kinder ist. Auch wenn das nur heißt, dass wir eine halbe Stunde lang zusammen puzzeln oder Lego spielen. Das ist nicht schlimm! Was man aber auf keinen Fall vernachlässigen sollte ist das Vorlesen von Geschichten. Vor dem Schlafengehen zu kuscheln, Geschichten vorzulesen und zu erzählen ist die beste Form des Zusammenseins. Es fällt einem schwer, die Tatsache zu akzeptieren, dass sich Kinder heutzutage lieber auf ihren Tablets, Handys, im Fernsehen oder auf DVD Geschichten anschauen. Wenn wir es können, sollten wir auf jeden Fall darauf achten, dass die abends vorgelesenen oder selbst ausgedachten Geschichten die Kröning des Tages sind. Man darf sich nicht mit weniger zufrieden geben! Ein Rockstar würde sowas nicht machen. Und schon haben wir in unserem Alltag die unersetzliche Quality time gefunden, die so einfach zu erschaffen ist.
Wir erwarten dich in der Welt der magischen Eltern!